Als 2017 Martin Schulz für das Amt des Kanzlers gegen Angela Merkel kandidierte, waren er und sein Wahlkampfteam sehr stolz auf das umfassende Wahlprogramm. Das Motto lautete damals „Zeit für mehr Gerechtigkeit“ und es war ein Wälzer! Alles was die SPD war und wollte, fand dort im Fachdetail seinen Ausdruck. Einmal Bundeskanzler, Martin hätte sofort loslegen können.
Es kam aber alle ganz anders. Die anfängliche Unterstützung für Martin Schulz zerrann und es wäre unredlich, dem dicken und über weite Teile fachspezifischen Wahlprogramm die Schuld zu geben. Dennoch stand und steht der Umgang mit dem “Regierungsprogramm für Deutschland” dafür, dass allein durch seine Existenz noch nicht jede SPD-Unterstützerin und jeder SPD-Unterstützer zum Sprechen gebracht werden konnten.
Ob trotz oder vielleicht gerade wegen des Umfangs — viele konnten nicht mehr am Gartenzaun oder am Arbeitsplatz prägnant sagen, für was die SPD zur Wahl 2017 eintrat. Es war ein starkes Programm, aber eben eines, das von Fachleuten für Fachleute in großem Detail geschrieben worden war. Man konnte als ganz kontraintuitv gerade wegen der vielen Seiten nicht mehr sagen, wofür die SPD eigentlich steht.
Aus Fehlern gelernt
Die SPD hat sich seit Martin Schulz viele Fragen gestellt, ehrliche Fragen. Die Partei mit ihren hunderttausenden Mitgliedern hat seitdem viel Neues ausprobiert und aus früheren Fehlern gelernt. So schmerzhaft ein solcher Prozess für eine Partei sein mag, wir als SPD haben uns dem gestellt.
Martin Schulz hat damit 2017 als scheidender Parteivorsitzender Geschichte geschrieben, als er eine nicht unumstrittene Evaluation „Aus Fehlern lernen. Eine Analyse der Bundestagswahl 2017“ in Auftrag gab, die im Juni 2018 vom damals gerade eingesetzten SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil vorgestellt wurde. „Wir werden die Veränderungen in unserer Partei weiter Schritt für Schritt umsetzen,“ sagt Lars Klingbeil.
„Nachhaltig, mit langem Atem und nicht mit immer neuen Strategien und Kurswechseln. Die Sehnsucht nach einer neuen, einer zukunftsgewandten, einer mutigeren SPD ist nach wie vor riesig. In unserer Partei, aber auch in weiten Teilen der Gesellschaft. Es ist unsere Aufgabe, neues Vertrauen zu gewinnen. Durch harte Arbeit, durch nachvollziehbare, kluge Politik und durch neue Ideen für ein modernes und gerechtes Deutschland von morgen.“
Dass eine sanfte, aber nachhaltige Evolution einer so traditionsreichen Partei wie der SPD nicht über Nacht mit nur einem Federstrich gelingt, das war sicher den Autorinnen und Autoren der Studie genauso klar wie seinen Auftraggeberinnen und Auftraggebern. Klar war auch, dass das Momentum der Veränderung nicht alles von allein löst und unsere Partei in die zukunftsoptimistische Stimmung versetzt, wie wir sie kennen und nach der wir uns alle sehnen.
Wir sind zusammen aufgebrochen, um wieder Neues zu wagen. Und so scheint es legitim, richtig und wichtig, in dieser besonderen Lage, in dem Moment der anstehenden Bundestagswahl und den laufend neu erhobenen Umfragewerten, eine Bilanz zu ziehen, um optimistisch in die Zukunft zu blicken.
Wertschätzende Kooperation statt Grabenkämpfe
Eine außergewöhnliche Situation ist, dass wir in diesen Wahlkampf mit einer Dreierspitze mit Saskia Esken, Norbert Walter-Borjans und Olaf Scholz ziehen. Als das neue, von der Basis gewählte Führungsduo, Saskia und Norbert, im Herbst 2019 gewählt worden war, hatten diese den damals nur knapp unterlegenen Kandidatinnen und Kandidaten um Olaf Scholz die Hand gereicht. Brückenbauer wollte man sein. Gemeinsam für eine starke Sozialdemokratie streiten — kooperativ, ganz ohne Grabenkämpfe.
Ein paar Monate später wurde Olaf Scholz als der Kanzlerkandidat ausgerufen. Es bleibt Teil einer demokratischen Partei, dass Tag für Tag um die bestmögliche Politik gerungen und gestritten wird. Aber diese Entscheidung zur Kanzlerkandidatur hat die Partei nach innen gefestigt, wie lange nicht mehr. Damit ist die Bundestagswahl nicht gewonnen, aber gemeinsam haben wir eine große Chance — für die Partei, für Olaf und natürlich für unseren lokalen Spitzenkandidaten für Altona: Matthias Bartke.
Dass alle drei, Saskia, Nobert und Olaf, sich zügig nach dem Mitgliederentscheid zusammengetan haben und mit hoher, gegenseitiger Wertschätzung zusammenarbeiten und dadurch zeigen, welche Kraft in der Kooperation steckt, ist eine große Leistung, die den Grundstein für einen erfolgreichen Bundestagswahlkampf 2021 legt. Gegenseitiger Respekt und Solidarität untereinander bestimmen heute die Zusammenarbeit. Es wurde aus Fehlern gelernt.
Ein Gespräch mit allen SPD-Gliederungen
Ein zentraler Ausdruck dieser gemeinsamen Unternehmung ist das vorliegende Wahlprogramm, ein Zukunftsprogramm. Es braucht gar nicht viele Seiten, um zu beschreiben, “wofür die SPD steht, was sie antreibt und wonach sie strebt”. Es ist ein Programm, das gelesen werden möchte. Das Trio an der Parteispitze hat dafür unter Leitung Lars Klingbeils früh den Programmprozess gestartet. Man wollte mit allen großen wie kleineren Gliederungen der Partei im ganzen Land ins Gespräch kommen.
Es war ein demokratischer Großakt, all die Wünsche, Anregungen und Korrekturen in dieses für die Partei so wichtige Dokument zu fügen. Das Programm ist eine große Erzählung der Partei geworden, die die Gegenwart beschreibt und daraus eine bessere Zukunft zeichnet. Es geht um eine gerechtere Welt und eine sichere Welt, es geht um Selbstvertrauen, Mut und Optimismus.
Ein Programm, dass sich sehen und hören lassen kann
Wer genauer wissen möchte, warum die Forderung nach einem Mindestlohn von zwölf Euro pro Stunde so vielen Menschen hilft, oder wer Fragen zu den Ideen zur Lösung der gegenwärtigen sozio-ökologischen Krise hat, kann jetzt alle Themen im Programmtext einfach recherchieren — klassisch auf Papier oder im Internet auf der Website des SPD-Zukunftsprogramms.
Und noch eines zur Zugänglichkeit. Das Zukunftsprogramm wird nicht nur in Ausschnitten und in Leichter Sprache angeboten, es wurde auch professionell eingesprochen. Hier geht es um mehr als Barrierefreiheit. Das gelesene Zukunftsprogramm für die Ohren ist für jede und jeden ein einfacher Weg, sich einen Überblick über das Programm zu verschaffen. Reinhören lohnt sich.
Wenn man verstanden werden will, reicht Fachkompetenz alleine nicht aus
Wir haben aus Fehlern gelernt. Ein wichtiger Wahlkampf steht an, die SPD ist gut aufgestellt, mit Kandidierenden, Funktionsträgerinnen und einem Wahlkampfteam im Berliner Willy-Brandt-Haus der SPD, das uns zusammen mit neuen, frischen Spezialisten aus Altona immer wieder daran erinnert, dass wir bei aller fachlicher Kompetenz und staatlichen Verantwortungsbürden eine progressive, optimistische und vielleicht hoffnungsvoll verträumte Seite an uns haben, die wir nicht verleugnen sollten.
Für eine soziale und lebenswerte Zukunft, für mehr gegenseitigen Respekt in der Gesellschaft und für ein geeintes europäisches Miteinander.
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Tom Greis ist Mitglied des Distrikts Altona-Nord-Sternschanze. Er hat im März 2021 zusammen mit dem Redaktionsteam des Willy-Brandt-Hauses geholfen, dem Zukunftsprogramm den letzten Schliff zu geben. In der SPD Altona macht er sich vor allem für eine kooperativere Kommunikation in der Partei stark.